Symposium „Stimme und Neue Musik“

Die wichtigsten Inhalte vom 03.-07.01. 2018

Den Ausgangspunkt des Symposiums bildete die Frage: Kommt man bei der Aufführung Neuer Musik, die weit mehr als das reine Singen beinhaltet (Geräusche, Schreien, lautes Atmen etc.), mit der klassischen Gesangsausbildung an Grenzen der Umsetzbarkeit oder stimmlichen Belastbarkeit? 
Auf dem Symposium wurde diese Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet: dem Komponisten Nicolaus A. Huber, der Stimmsolistin, Schauspielerin und Dozentin Salome Kammer, dem Phoniater und Gesangswissenschaftler Wolfram Seidner und dem Chorleiter des WDR Rundfunkchores Robert Blank.

Nicolaus A. Huber, der als Kind zwar im Passauer Domchor gesungen hatte, war das Volkslieder-Singen im Schulunterricht fremd, der natürliche, basishafte Zugang zum Singen blieb ihm also verwehrt. Dementsprechend spielte Vokalmusik zunächst eine untergeordnete Rolle in seinem Schaffen, später beschäftigte er sich aber in seinem „Versuch über Sprache“ mit neurotischen Formen der Sprachgestaltung und verlangte den Sängerinnen ein reiches Spektrum an Lauten, Geräuschen und Klängen ab. Bezüglich stimmlicher Grenzen in der Ausführung verweist er auf die Chance der Zusammenarbeit zwischen Komponist/in und Sänger/in, die ihm besonders wichtig ist.
Stimmtechnisch betrachtet kann die Frage möglicher stimmlicher Beeinträchtigungen durch die Herausforderungen Neuer Musik nur individuell entschieden werden, so Phoniater Seidner. Schwer tun sich hier diejenigen Sängerinnen und Sänger, die rein emotional an Musik herangehen. Ein kluger Umgang mit der Stimme, der die Grenzen der Belastbarkeit auf der Basis einer soliden Gesangstechnik erkennt, ist entscheidend. Dies gilt in besonderem Maße für die Anforderungen Neuer Musik, inkludiert aber selbstverständlich auch die Musik vergangener Zeiten.

Salome Kammer verweist auf nach wie vor existente Ressentiments von Gesangspädagogen deutscher Musikhochschulen, die häufig ihren Fokus zu sehr auf dem Kernrepertoire ihrer eigenen Gesangskarriere haben. Eine adäquate Annäherung an Neue Musik hat in ihren Augen sehr viel mit einer grundsätzlichen Offenheit und Neugierde, aber auch Mut gegenüber den damit verbunden stimmlichen Herausforderungen zu tun. Persönlich achtet sie besonders auf die Einhaltung von Pausenzeiten, um die Stimme langfristig gesund zu erhalten.

Robert Blank verneint wie Salome Kammer die Frage, ob Neue Musik, die sich nicht am klassischen Gesang orientiert, nicht besser durch Schauspieler umgesetzt werden könnte. Insbesondere aufgrund der bereits erwähnten stimmtechnischen Anforderungen kann dies nur durch ausgebildete Sängerinnen und Sänger geleistet werden. Wichtig erscheint Blank, die Hintergründe bzw. die Motivation des Komponisten zu kennen, um die jeweilige Musik zu verstehen und dem Chor dementsprechend vermitteln zu können. Selbstverständlich muss er als Chorleiter die Belastbarkeit der Stimmen im Blick haben und seine Probendisposition danach ausrichten.

Fazit:

Der adäquate stimmliche Umgang mit Neuer Musik muss individuell betrachtet werden. Grundsätzlich gilt jedoch, dass Pausenzeiten unerlässlich sind, insbesondere dann, wenn sich die Anforderungen an Sängerinnen und Sänger als auf Dauer stimmbelastend erweisen. Hier obliegt den Chorleitern, Dirigenten und auch Komponisten eine gewisse Sorgfaltspflicht. Die enge Abstimmung in der Probendisposition mit den Sängerinnen und Sängern ist hilfreich.

Neue Musik verlangt von den Sängerinnen und Sängern Offenheit und einen gewissen Mut zur Herausforderung. Ein befriedigendes Ergebnis stellt sich dann ein, wenn Komponist und Ausführende in engem Kontakt stehen und allen Beteiligten die Intention des Komponisten, sofern sie sich nicht unmittelbar erschließt, bekannt ist. Es ist unumstritten, dass das erweitere Klangspektrum Neuer Musik im Instrumental- wie auch Gesangsbereich neue Ausdrucksmöglichkeiten eröffnet hat und den Komponisten/innen damit zu Recht ein breites Experimentierfeld zur Verfügung steht.

Text: Sophie Emilie Beha